27. Mai 2024
Heute: Löffler, Gäbler & Messerer. Platalea platyrhynchos, forkensis et kniveus.
Der Löffler ist der einzige Vogel, dessen Haltung in Gefängnissen ausdrücklich erlaubt ist. Sein Schnabel gleicht keinem spitzen Gegenstand aus der Besteckschublade und kann entsprechend auch nicht als Waffe missbraucht werden. Rund, weich und löffelig ragt er aus dem Gesicht des Vogels heraus, immer bereit, ’ne ordentliche Schippe Suppe zu schlappen.
Ganz anders hingegen der Gäbler: drei bis vier spitze, lange, gefährlich scharfe und leicht gebogene Zinken bezeichnen das vordere Ende dieses Tiers, und wer es wagt zu kichern bei diesem Anblick, hat flugs Bekanntschaft mit der Frontbewaffnung geschlossen.
Der Gäbler lebt eigentlich davon, längliche Dinge aus dem Flachwasser heraus zu reusen, die dazu neigen sich in forkenartigen Fortsätzen zu verfangen, doch bei Gekicher über seine Nase kennt er nichts. Außerdem reizen den Gäbler Erbsen zur Weißglut – man kann ihn locker um die fruchtbaren Jahre seines Lebens bringen, indem man ihm ein Kilo Tiefkühl-Erbsen vorschüttet – und anschließend beobachet, wie sich der Hass des Gäblers in fulminanten Attacken auf die grünen kleinen Gemüse äußert und einfach nur steigert. Aus irgend einem Grunde keschert er die nahrhaften Samen der Pisum-Pflanze nicht einfach, sondern versucht die davonflitschenden Kügelchen mit einer Ausdauer zu erstechen, die nicht mehr diesseits der Grenze der Normalität angesiedelt ist.
Irgendwann in der Evolution des Gäblers muss es eine Zeit gegeben haben, in der kleine grüne Dinge eine bedeutende Bedrohung für die Art darstellten. Anders kann man sich diese nicht nachlassende Emotionalität einfach nicht erklären. Gerüchteweise soll das exzessive Verhalten des Gäblers irgendwie mit dem Aufkommen der Löffler-Pisastudie zusammenhängen.
Der Messerer sieht nach einem normaleren Vogel aus als seine beiden eng verwandten Kollegen. Jedoch ist seine Harmlosigkeit nur vorgetäuscht. Seinen Schnabel kann man als stumpf bezeichnen – ungefähr so stumpf wie ein gewöhnliches Besteckmesser – und genau das macht ihn so gefährlich. Der Messerer ist eine Art Tagträumer, der meistens irgendwo durch die Gegend schwebt und ganz woanders hin guckt – und im anscheinend falschen Moment über irgendwas stolpert, beim Fallen anscheinend entsetzt den Kopf in Fallrichtung dreht …
Jeder weiß, dass die stumpfen Messer für die grässlichsten, am widerlichsten ausgefransten Stichverletzungen im Haushalt verantwortlich sind. An stumpfen Messern haften Bazillen besser als an scharfen, stumpfe Messer reißen und quetschen mehr Gewebe kaputt wie Pflaumenmus, als es sauber zu durchtrennen. Verletzungen durch stumpfe Messer tun weher, pochen mehr, sind besseres Biotop für quetschgewebewasserinhalierende Lebensformen.
Und Verletzungen von stumpfen Messern hinterlassen pustelige, aufgeworfene, gezackte und schrundig zerklüftete Narben-Gebirge, in denen diverse Lebensformen lange ’ne Wohnung finden und ungeheure Parties feiern – Eiterenten, Schorfgemsen, Abszessinische Ziegen, Faltenkrähen, Schleimböcke, und nicht zu vergessen, Frühschicht-Murmeltiere… und all das auf einem Handrücken. Eine mikroskopisch kleine, aber ganz eigene Welt.
Nun, der Messerer ernährt sich von den Fleischfetzen, die sein stumpfer Schnabel aus dem herausreißt, über das er stolpert.
Er fällt sozusagen über sein Essen, und da er sich nicht schnell bewegt, läuft sein Essen auch nicht weg – was klüger wäre – sondern es hält ihn für harmlos.
Irrtum, meine lieben Leute!
Schon der alte Volksreim sprischt:
Messerer, Gäbler, schweres Lischt
sind für heile Hände: nüscht!