17. Februar 2025
Heute: Der Klostergeier. Vultur melissae-spiritis.
„Immer mürrisch, nie vergnügt und niemals lügt.“
Der Volksmund beschreibt das Wesen des Klostergeiers so treffend, dass ich eigentlich gar nichts mehr hinzufügen kann.
Dir Tonsur kennzeichnet den Klostergeier schon aus weiter Entfernung als solchen; Verwechslungsmöglichkeiten bestehen höchstens mit den neuseeländischen Keas, die in ein Auspuffrohr geschielt haben. Da sich die Verbreitungsgebiete der beiden Arten aber nur dann überschneiden, wenn versehentlich eine Kiste mit einem Kea drin in den Bayerischen Alpen abgeworfen wird, ist die Bestimmung des Geiers in 57 % aller Fälle korrekt.
Das kleine Kreuz um seinen Hals ist leicht zu übersehen, da es aus anspruchslosem Material wie Knochen besteht und nicht in der Sonne glänzt.
Der schärfste Konkurrent des Klostergeiers ist der Mönchsgeier; die beiden Arten besetzen die gleiche ökologische Nische und wetteifern bei jeder Gelegenheit um die Gunst der Seelen, die bei dem Aas, das bis vor Sekunden noch ihre Adresse in der körperlichen Welt darstellte, herumsitzen und auf den geistlichen Beistand warten.
Es toben regelrechte Schlachten um die die Ex-Gemsen und ehemaligen Murmeltiere, und nicht selten gehen beide Geierarten leer aus, weil es den Huflern und Nagern zu dumm wird und sie eine „Selbsthilfegruppe für gestrandete aber nicht kompetent bekehrte Murmelseelen“ oder ähnliches gründen.
Die Auerwahn-Sekte ist mittlerweile zur größten Auffangstation für beendete Rauhfußhühner geworden, und die Bockshorn-Gemeinde für abgewrackte Paarhufer und Stirnwaffenträger hat eine eigene eMail-Adresse im Internet.
Bei alledem verwundert es nicht, dass man den Klostergeier nur noch sehr selten beten sieht.