4. Dezember 2023
Heute: Die Sackmeise. Santaclausa pendulina.
Die Sackmeise ist eine Kulturfolgerin.
Sie begnügt sich nicht, wie ihre bescheidene Base die Beutelmeise, mit einem kleinen, unscheinbaren Gehänge aus flaumigen Pflanzenfasern, das sich sommers sanft im Geäste einer grazilen Trauerweide wiegt, nein, die Sackmeise greift zu wesentlich spektakuläreren, geradezu aufdringlichen Bruthilfen.
Aus roten und weißen Fasern, die sie sich in winterlich eingemotteten Heißluftballon-Verleihs und geschlossenen, unbewachten Campingcentern zusammenklaut, wirkt sie ein perfide baumelndes Figürchen, welches sie bei Einbruch der Dämmerung flugs herbeischleppt und mit ihrem klebrigen, schnell trocknenden Speichel an ungepflegte Fenstersimse und Hauswände dran klatscht.
Die Menschen, die eines Morgens im späten November ihre Wohngebiete auf diese Weise flächendeckend verschandelt vorfinden, sagen nichts, weil sie glauben, jene Figürchen gehörten untrennbar zur Weihnachtsfolklore – und der Nachbar „hat das“ schließlich „auch“. Da will man lieber nicht zugeben, dass man das echt nicht selbst angebracht hat.
Stattdessen girlandieren die derart geplagten Anwohner noch flugs Lichtschläuche und andere wärmespendende Illuminationen an den vermeintlichen Nikolaus dran, und so hat die Sackmeise alles was sie braucht: Licht zum Freihaus-Anlocken kleiner verirrter Insekten und obendrein ’ne prima Fußbodenheizung im Nest.
So brütet die Sackmeise in aller Ruhe und bestens versorgt mitten in der kältesten Jahreszeit – und alle Menschen glauben, andere Menschen hätten aus lauter Konsumrausch keinerlei ästhetisches Feingefühl mehr im Balg.
Und im Frühling werden dann wieder die Heißluftballon- und Campinghandelsbesitzer bitterliche Tränen weinen ob der skelettierten Zeltgerüste und der verschwundenen Ballonhüllen.
Ja, so grausam kann es zugehen in der heimischen Vogelwelt.