Vogel der Woche: #025 - Der Rechthaber

18. Dezember 2023

Heute: Der Rechthaber. Contrapsittacus irritatus JADOCH & JEDOCH, 2011.

[„Nein.“ ­– „Doch.“ ­–
„Nein.“ ­– „Doch.“ ­–
„Nein.“ ­– „Doch.“ ­–
„Nein.“ ­– „Doch.“ ­–
„Nein.“ ­– „Doch.“ …]

so hört sich ein balzendes Pärchen der lang geschwänzten, leuchtend grünen Rechthaber in Volierenhaltung an.

Das ist auf der nach unten offenen Ermüdungs-Skala mindestens genau so tief anzusiedeln wie das Lied des Wachtelhahnes – „Pick­per­wick“.

Doch auch ein einzeln gehaltener Rechthaber im Zimmer kann ausgesprochen nervtötend klingen; er ist so lange amüsant, wie er sich zu irgendwelchen Gesprächen, Radio- oder Fernsehprogrammen konträr verhalten kann, und holt da auch einige Lacher heraus; sobald er allerdings keine äußeren Anreize mehr bekommt, beginnt er, sich selbst solistisch – vielleicht sogar solipsistisch – zu widersprechen.

[„Nein. Doch. Nein. Doch. Nein. Doch.“ … ]

Er ist dabei in der Lage, sich innerhalb einer halben Stunde aufs Unglaublichste in ein Crescendo hochzuschaukeln.

[„Nein! Doch!
Neiiieeen! Dohoooch!!
NEIN­ VERDAMMT-NOCH-MAL!!!
DOCH-DOCH-DOCH!!!“ …]

Deswegen stellt man einem Rechthaber in Einzelhaltung grundsätzlich das Radio an und lässt es leise laufen, solang man zur Arbeit oder zum Einkaufen ist. Ansonsten reißt die Geräuschkulisse des gelangweilten Vogels einem schon an der Haustür beide Ohren ab – wahlweise übernehmen diesen Job auch die Nachbarn oder die „wegen Ehestreit“ gerufene Polizei, die gerade die Axt in die Wohnungstür reingesteckt hat, um den mutmaßlich stattfindenden Ermordungsvorgang etwas zu entschleunigen.

Also lieber ein kleines Radio anstellen.

In ihrem normalen Lebensraum, den öden Steppenregionen von Tabla Schnabula, sind die Rechthaber in gigantischen Schwärmen unterwegs und erstaunlich schweigsam. Meist sagen sie auf der gemeinsamen Futtersuche nur das Allernötigste, was kaum Widerspruch auszulösen vermag: „Korn. Korn. Pilz. Korn.“

Aber wehe, es regnet. Dann beginnt nicht nur im Sittich- und Zebrafinken-, sondern auch im Rechthaberherz die Liebe, und der Vogelfreund kann – mit sehr guten Ohrenschützern ausgestattet – ein erhabenes Naturschauspiel bewundern, bei dem sich der erst durcheinander rufende Schwarm der Rechthaber allmählich in zwei Lager teilt, die bei ihrem rhythmischen Chorgesang die Sitzbäume zum Schaukeln bringen und gelegentlich auch schon mal einen entwurzeln.

[Bäumeknarren, Nein-Doch-Rufe]

Ein umgefallener Baum stört die Rechthaber als Bodenbrüter allerdings nicht be­sonders.

Fressfeinde haben die erwachsenen Rechthaber keine, allerdings sind ihre Gelege und Küken ein sehr begehrtes Angriffsziel bei Zieseln und Wieseln.

Diese beiden Beutegreifer morden verschwenderisch und zerstören weitaus mehr Bruten, als sie zur Deckung ihres Kalorienbedarfes benötigen. Dieses rätselhafte Verhalten haben Forscher der Universität Tablatown untersucht und in Laborversuchen festgestellt, dass sowohl die Wiesel als auch die Ziesel regelrecht allergisch auf die Balzgesänge der Rechthaber-Schwärme reagieren und dadurch in eine Art Zerstörungs-Rausch geraten, während dem sie sich wahllos in alles verbeißen, was auch nur halbwegs rundlich ist…

[O-Ton Forschung]

unter anderem auch in die Laborkittelknöpfe der Forscher.

Weil ein mit Zieseln und Wieseln gespickter Kittel zu ulkig aussah, und außerdem die PETA scharfe Proteste gegen das Pelztragen androhte, haben die Forscher ­ auf eine Veröffentlichung ihrer Ergebnisse verzichtet.

Schade, denn so entgeht einem naturwissenschaftlich interessierten Publikum einiges über die hochspannende Geisteswelt der Lebewesen, die den Contrapsittacus­-Bestand in gewissen Grenzen halten.

­Guten Morgen.


Beteiligt:

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HikE Worth
Text, Sprechix, Otöne

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