Vogel der Woche: #070 - Die Rauchschwalbe (2)

28. Oktober 2024

Heute: Die Rauchschwalbe II. Hirundo fumara.

Willkommen im Reich der Neozoen!

Neozoen sind Tiere, von denen zum Beispiel der Rheinländer sagt „Früher, do jab et sujet nit“ oder der Bayer: „Mir san mir“ oder die gewöhnliche braune Dumpfbacke: „Deutschland den Deutschen“. Also auf Gutdeutsch:

Neozoen sind Tiere mit Migrationshintergrund.

Aber eben nicht solche wie die Wandervögel, die quasi als Saisonarbeiter kommen und gehen, sondern solche, die kommen und – bleiben. Und dabei immer mehr werden.

Eines dieser Tiere ist die Rauchschwalbe. Kommt Ihnen bekannt vor? Die, die noch keinen Sommer macht? Ja, aber…

Hand aufs Herz: Haben Sie wirklich schon mal eine gesehen? Was wir allerdings sehen, sind immer häufiger die Nester der Rauchschwalbe. Kreisrund, flach bis halb kugelförmig hängen sie unter der Decke, in Biotopen wie Büros, Besprechungsräumen oder Hotelzimmern. Und viele Menschen erlauben den Rauchschwalben mittlerweile sogar, in Wohnräumen oder gar Kinderzimmern ihre Nester zu bauen.

In den meist mittig unter der Zimmerdecke befindlichen Nestern lebt eine nicht näher bestimmbare Anzahl von Jungtieren, die man jedoch, genau wie die erwachsenen Tiere, niemals zu Gesicht bekommt.

Zündet der unbedarfte Zimmerbewohner sich arglos eine Zigarette oder gar seine Tageszeitung an, dauert es meist nicht lange, bis die empfindlichen Jungtiere in ein herzzerreißendes Piepen ausbrechen.

Fleißiges Lüften bringt die kleinen Nesthocker aber in der Regel schnell wieder­ zum Verstummen.

Unter Ornithologen wie Bioethikern höchst umstritten ist allerdings das praktisch nicht vorhandene Brutpflegeverhalten der Rauchschwalbe, das freilich auch homozentristische wissenschaftliche Bewertungen wie „purer Altruismus“ oder „eines Kulturfolgers mehr als würdig“ findet.

Kommt es nämlich tatsächlich zu starker Rauchentwicklung infolge eines größeren Brands, so brechen die im Nest eingesperrten Jungtiere dermaßen in panisches Angstgeschrei aus, dass es dem unbedarften, meist menschlichen Zuhörer geradezu das Herz zerreißt und er schnellstens die Flucht ergreift, was wiederum wohl genau im Sinne der Evolution ist. Dass die Elterntiere ihren piepsenden Nachwuchs meist auch noch jämmerlich verbrennen lassen, ist zwar unverzeihlich, aber unter­ diesen Umständen mehr als entschuldbar.

Und für die Erhaltung der Art scheint dieses Verhalten der Rauchschwalbe nach neuesten Erkenntnissen ebenfalls irrelevant zu sein. Wenn’s gebrannt hat, geht man nach dem Aufräumen eben in den Baumarkt und kauft ein neues Nest, voll mit piepsenden Jungtieren.

Aber mal ganz ehrlich: Ein bisschen mehr Dankbarkeit hätten die kleinen Piepmätze doch verdient, oder?


Beteiligt:

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Raspelii
Text, Sprecher

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